Samstag 15.30 Uhr, Auftakt zu einem Fußball-Termin in Schalke-Nord. Aber nicht in der Glückauf-Kampfbahn, sondern „gegenüber“ in der Kirche St. Anna. Bei Kaffee und Kuchen treffen sich 30 Interessierte, um darüber zur sprechen, wie ein alkoholfreier Stadionbesuch gelingen kann. Was treibt sie um? Sie wollen, ob sie nun aus gesundheitlichen Gründen oder persönlicher Überzeugung auf Alkohol verzichten, nicht schief angeguckt werden für ihre Abstinenz. Sie wollen einfach als Fußballfans Spaß haben und ihrem Hobby nachgehen.
Schon seit fast dreißig Jahren gibt es in Hamburg die Gruppe der „Weiß-brauen-Kaffeetrinker*innen“ (WBK), St.Pauli-Fans, die sich 1996 zusammenschlossen, um Selbsthilfegruppe und Anlaufstelle für Suchtkranke zu sein, aber auch um Lobby- und Vernetzungsarbeit zu machen. Sie berichteten uns über ihre Arbeit, die alltäglichen Herausforderungen und erzählten auch freimütig und ehrlich über ihre persönlichen Sucht- und Entzugs-„Karrieren“. Abstinent lasse es sich zufrieden leben – es sei überhaupt nicht „spaßbefreit, sondern geiler“, erzählt ein Schalker, der eine lange Suchtgeschichte und die Entzugsklinik hinter sich gelassen hat. Es seien die unzähligen Rituale mit Alkohol, die es vielen aber schwer machen, einfach auszusteigen. Hier wird sich mehr Sensibilisierung und weniger Gruppenzwang gewünscht. Einfach akzeptieren, wenn jemand „Nein“ zum Alkohol sagt. Und im Stadion wird der Besuch entspannter, wenn man für ein alkoholfreies Getränk nicht in der Bierschlange stehen muss. Das geht am Millerntor bereits mit dem „Trockendock“.
Neben Mitgliedern des Kreuzbunds, war auch ein „Profi“ von der Suchtberatung der Diakonie zu Gast. Er gab zu bedenken, dass Suchterkrankungen nach wie vor sehr stigmatisiert seien. Wer es nicht schaffe, moderat zu trinken, werde schnell moralisch als „schwach“ beurteilt. Andererseits sei es ein Problem der Gesellschaft, dass, wer keinen Alkohol mittrinke, als nicht normkonform betrachtet werde. Hier können eine Gruppe Gleichgesinnter und der Erfahrungsaustausch enorm helfen, sich zu stärken und zu erkennen, dass Alkohol nicht sein muss – und dass saufen und auch keine Voraussetzung für den Stadionbesuch ist. Interessant war auch, zu erfahren, dass es seit etwa fünf Jahren bei Union Berlin eine Selbsthilfegruppe „Nüchtern betrachtet – mehr vom Spiel“ gibt und mit „KlarSchiff“ sich nun auch beim HSV eine Gruppe bildet.
Es stellte sich schnell heraus, dass es noch eine Menge Gesprächsbedarf, Interesse an Austausch und Gemeinschaft gibt. Die Weiß-braunen Kaffeetrinker*innen laden uns zu ihrem Vernetzungstreffen im Juni ein. Vor dem Auswärtsspiel des S04 gegen Braunschweig ist zunächst aber ein gemeinsames Frühstück von „Schalke Null Bier“ im Anno geplant. Dort soll überlegt werden, welche gemeinsam Aktivitäten geplant werden könnten, bspw. gemeinsame Stadionbesuche oder Auswärtsfahrten. Wer beim Frühstück sein möchte, darf sich gerne bei uns melden.
Mehr Infos findet ihr hier: Schalke Null Bier
Klarstellung
Es geht nicht darum, irgendwem das Bier madig zu machen oder im Stadion zu verbieten. Es geht um eine Initiative, eher eine Art Selbsthilfegruppe aus den Reihen von Schalke-Fans, die eine nüchterne Gemeinschaft bilden wollen, um sich und andere dabei zu unterstützen, keinen Alkohol zu konsumieren. Viel zu eng ist die Verknüpfung zwischen Bier und „Fußball gucken“, viel zu selbstverständlich ist der Alkoholkonsum an vielen Stellen in unserer Gesellschaft – sei es in Beruf, Freizeit oder Familie. Deshalb haben wir „Schalke Null Bier“ in Leben gerufen, um als starke Gemeinschaft Rückhalt zu geben. Wir möchten ein sicherer Raum für den Umgang mit Suchtproblematiken rund um den Schwerpunkt Fußball sein. Viel Arbeit findet also innerhalb der Gemeinschaft statt und niemals mit der Forderung, dass andere Gleiches tun sollen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen uns Unterstützenden und vor allem bei den Weiß-Braunen Kaffeetrinker*innen für den tollen Austausch und ihrer Teilnahme an der Veranstaltung: